Wydanie/Ausgabe 131/04.04.2024

Ganz Polen empört sich über die Situation auf der Krim! Man beschuldigt die Russen, die wie üblich der Feind Nr. 1 oder 2 sind, je nachdem, ob Deutschland berücksichtigt wird. Es werden Vorschläge diskutiert, wie man der Situation auf der Krim gerecht werden könnte. Putin wird im schlechtesten Licht dargestellt und die polnische Presse wetteifert um den abscheulichsten Titel, wie z.B. in der Angora: "Russland hat sein Banditengesicht gezeigt". Die Zeitung ist am 10. März 2014 erschienen. 

Beim Lesen der polnischen Presse kann man schlussfolgern, dass wohl alle das Recht zur Kritik an den Russen haben, aber nicht die Polen. Polen sollten ruhig bleiben und nur abwarten was auf der Krim weiter passiert. All das ziemt sich nicht für jemanden, der vor 96 Jahren das gleiche getan hat. In Polen hat man das schon vergessen oder man will sich nicht mehr an die eigenen Sünden erinnern. Nicht einmal gedanklich diese Tatsache zuzulassen, dass ihre Westnachbarn gegen sie auch Trauter und Groll hegen könnten, wegen ihres damaligem Verhaltens. Sie sind ebenso vorgegangen, wie Putin heute. Sie erklärten ihre Taten mit einer These: wir verteidigen unsere Landsleute. In der heutigen, polnischen Wirklichkeit ist es das Bequemste sich nicht mehr daran zu erinnern

Um die Erinnerung aufzufrischen möchte ich näher darauf eingehen.Nach dem Ende des 1. Weltkriegs versuchte der polnische Staat billig, auf einfache Weise, das eigene Territorium zu erweitern. Es sollte größer werden als es vor der Teilung Polens war. Man hat in Versailles um den Anschluss von Gebieten geklagt, welche seit hundertern von Jahren nicht mehr zum polnischen Staat gehörten (Preußen, Pommern, Schlesien) und das nicht auf Grund von Kriegen oder Annexionen. Polen, haben es vergessen – oder wollen es vergessen - oder vielleicht wissen sie es gar nicht, weil die polnische Geschichte oft nicht wahrheitsgemäß wiedergegeben, sondern immer neu erfunden wurde. Z. B., dass der polnische König Kasimir der Große, 1339 in Trencin, ein Dokument unterzeichnet hat, in dem er auf Schlesien "für alle Ewigkeit" verzichtete. In die heutige Sprache übersetzt, "für immer".

Man erinnert sich nicht mehr an Pilsudskis (3) Expedition in die Ukraine. Und wenn man sie erwähnt, dann im Bezug zum polnischen militärischen Ruhm, der Tapferkeit, der Bewunderung für das Genie Pilsudskis, aber niemals an das Handausstrecken nach Fremden, an Verletzung der Nachbarsgrenze, an Beschlagnahme seines Territoriums. Reichen diese Aspekte nicht, um eine größere Zurückhaltung in der Beurteilung der Krimfrage zu üben? Oder vielleicht möchte man ein Stück der Ukraine für sich beanspruchen, weil das doch irgendwann "unseres" war? Und jetzt bot noch der Zyrynowski aus der russische "Duma" (1) Lviv (Lemberg) uns einen Teil der Ukraine an. Interessant, was als nächstes passieren wird? Pawel Kowal, ehemalige Vizeminister des Außen, und zur Zeit Abgeordneter des Europa Parlaments, schlug ein polnisch-litausch- ukrainischen Bataillon vor.

In Versailles hat man festgelegt, dass im Jahre 1921 eine Volksabstimmung auf dem oberschlesischen Gebiet stattfinden soll, in der seine Einwohner frei über die Zugehörigkeit zu einem der Staaten, Deutschland oder Polen, entscheiden können.

Die Ergebnisse zeigten, dass sich 60 Prozent der Bevölkerung für Deutschland ausgesprochen hat. Man sollte meinen, die Sache wurde damit "für immer" geklärt. So würde ein normaler Mensch denken, aber die polnische Seite sah es anders: "Was interessieren uns irgendwelche verlorene Volksabstimmungen, wir wollen und brauchen Schlesien, dort gibt es Bergwerke, Stahlwerke und die gesamte Schwerindustrie, die wir nicht haben, die aber für uns nützlich ist". Es ist unwichtig, dass Schlesien mehr als 700 Jahren dem polnischen Staat nicht mehr angehörte, und noch früher, im Krieg den Tschechen (Böhmen) abgenommen wurde.

Daraufhin hat man das polnische Militär nach Schlesien geschickt, um es zu tarnen, ohne Epauletten (2), so wie es die Russen auch jetzt auf der Krim getan haben. Wer von wem das wohl gelernt hat? Ich denke, die Russen von den Polen, denn die Polen haben es fast 100 Jahre früher getan. Es ist in Oberschlesien zu Bruderkämpfen, zum Bürgerkrieg gekommen, weil plötzlich der Nachbar seinem Nachbarn nicht mehr gefallen hat, oder Bruder seinen Schwager getötet hat, weil er dafür die durch den Korfanty (4) versprochene Kuh haben wollte, die jedoch schließlich niemand bekommen hat.

Das erinnert an den Balkan, Jugoslawien, wo auch Menschen verschiedener Nationen in Frieden lebten, gute nachbarschaftliche Beziehungen pflegten, untereinander heirateten, bis zu einer gewissen Zeit, bis der Samen des Hasses gesät wurde und die Ernte in Form von Blutvergießen, Morden aus ethnischem und religiösem Hintergrund, ausgebrochen war.

Mit dem Vertrag von Versailles war Polen sehr unzufrieden, denn wie am 29.04.1924 in Posen der polnische Präsident Wojciechowski sagte: "Damit Polen existieren kann, muss es alle polnischen Gebiete erhalten, und eine Großmacht werden".

 

Pilsudski hat beschlossen Vilnius (Wilno) zu annektieren und seinem General Żeligowski befohlen, eine "Rebellion" seiner Truppen zu simulieren und unverzüglich in Vilnius einmarschieren. Obwohl er zwei Tage zuvor, am 7. Oktober in Suwalki, eine Vereinbarung unterzeichnet, die besagt, dass Vilnius den Litauern zufallen sollte. General Żeligowski ist am 9. Oktober 1920 mit seiner Armee in Litauen einmarschiert und nahm Vilnius mit einer Hälfte Litauen, ein. Pilsudski hat darauf international argumentiert, dass er dieses nicht befohlen hätte. Auf internationalen Druck und auf die europäischen Beweise, hat er schließlich am 23. August 1923 in Vilnius zugegeben, dass er in der Überzeugung, das Beste zu tun ist, die Welt vor vollendete Tatsachen zu stellen und er deswegen.gelogen hat.

10-13 August 1928 in Lentvaris, in der Nähe von Vilnius, haben sich führende polnische Militärs getroffen, mit Generälen, Rydz-Smigly und Sosnkowski (ehemaliger Kriegsminister) und dem Oberst Slawek. Ehrenmitglieder waren Marschall Pilsudski, der polnische Ministerpräsident Kazimierz Bartel und Abgeordneter, stellvertretender Sprecher des Sejm 1922-1927 Ignatius Daszynski.

Als erster hat Slawek das Wort ergriffen, wobei er erklärte, dass jeder Pole in sich eine Aufgabe zu tragen habe, nämlich alle Gebiete, die einst zu Polen gehörten, wieder zu gewinnen.

Das Treffen endete mit der Forderung, Litauen militärisch zu erobern. Polen sollte nicht nur, sondern muss es tun! Slawek hat erklärt "Der Militärstab hat bereits einen Einsatzplan entwickelt. Wir müssen der Diplomatie zuvor kommen, das heißt, vollendete Tatsachen schaffen, zu einem "fait accompli" führen. Vor dem "fait accompli" stellen wir Europa." General Żeligowski, der Eroberer der Stadt Vilnius stellte fest, dass die Einnahme der Stadt nur einer der ersten Schritte zur Bestimmung Polens Grenzen von 1772 gewesen war, die nächsten sollen folgen, und erst dann werden sie die Waffen ruhen lassen.

Der Priester Mieczko (alias Czerski) hat im Jahre 1927 eine Broschüre mit dem Titel "Gebete für die polnische Gesellschaft" veröffentlicht. Unter anderem gibt es dort ein Gebet zu lesen: "Herr, gib unseren Händen Kraft, die Vollkommenheit unseren Kanonen, Widerstandskraft den Panzern, Unsichtbarkeit den Flugzeugen. In Namen Deiner Liebe, durch die Du uns liebst, lass unsere Gegner wie das Gras verdorren. Ihre Frauen und ihr Land sollen unfruchtbar bleiben, ihre Kinder sollen betteln gehen und ihre Töchter geschändet werden ... "

Putins Entscheidung auf der Krim einzumarschieren und sie ans Russland anzubinden hat die Krimgesellschaft geteilt. Die Russen sind froh wieder Zuhause zu sein, dass die Krim zurück in ihre Heimat kommt, und sie mit ihr. Die Ukrainer sprechen über die unrechtmäßige Trennung der Krim – einem Stück des Territoriums der Ukraine. Die russischen Truppen aber als Invasoren und Besatzer anprangern. Das Referendum haben einige mit Freude aufgenommen, andere boykottiert und noch andere, als gefälscht angesehen. Die Welt steht auf der Seite und schaut zu, was als nächstes passieren wird …

Ähnelt das nicht den Ereignissen der Vorkriegszeit? Interessant, ob Putin ein wenig der polnischen Geschichte kennt, die s.g. "Schlesischen Aufstände", die Volksabstimmungen und andere Fakten unserer Geschichte. Waren diese nicht die Inspiration für sein heutiges Vorgehen? Denn, wenn das so wäre, dann bekomme ich Angst, was als nächstes passieren mag ...

In den Herzen der Ukrainer bleibt jedoch ein Gefühl der Unsicherheit des Morgens, der Bedrohung, des Leids, der Ungerechtigkeit ... Dieses Problem kann keine Hilfe aus dem Ausland lösen. Die Ukrainer selbst müssen es verkraften. Das kann nur ein Schlesier verstehen, weil ihm ein ähnliches Leid zugefügt wurde.

(Übersetzt Dr. J. Czernik)

 

(1: Russische Duma: Russisches Parlament)

(2: Epaulette: Schulterstück einer Uniform)

(3: Piłsudski: polnischer Militär und Politiker, der gegen die russische Herrschaft kämpfte, und später Marschall der Zweiten Polnischen Republik wurde)

(4: Korfanty: polnischer Organisator der "Aufstände")