Wydanie/Ausgabe 131/04.04.2024

Das Bistum Görlitz konnte dieser Tage sein 25-jähriges Jubiläum feiern, obwohl seine Entstehung eine tragische Vorgeschichte hat. Mit einem Pontifikalamt wurde am 7. Juli in der Kathedrale St. Jakobus mit Bischof Ipolt das Jubiläum gefeiert. Eine Jubiläumsschrift und eine Wanderausstellung begleiten den Bistumsgeburtstag. Doch wie kam es eigentlich 1945 zur kirchlichen Trennung an der Neiße, die den eigenständigen Weg von Görlitz ebnete?

Görlitz/Breslau/Rom. Der letzte Kardinal des Erzbistums Breslau war vor und während des Krieges Adolf Bertram. Als sich die Rote Armee Breslau näherte und die „Festung Breslau“ noch nicht völlig geschlossen war, begab sich der 86-jährige Kardinal Bertram, auf Rat seines Arztes auf Schloss Johannesberg bei Jauernig, wo er am 6. Juli 1945 starb. Kurz vor Kriegsende,aber schon nach der Kapitulation der „Festung Breslau“ besuchte der Kattowitzer Bischof Stanislaw Adamski das Generalvikariat in Breslau und gab dem erstaunten deutschen Klerus bekannt, dass es hier keine Minderheitenprobleme geben werde und die Deutschen dieses Gebiet verlassen müssten. Je schneller dies geschehe, desto besser, denn Breslau und Stettin seien bereits polnische Städte. Dies wohlgemerkt vor der Potsdamer Konferenz, auf der die Alliierten Schlesien unter provisorische polnische Verwaltung stellten.

Vor der Sitzung des Breslauer Domkapitels nach dem Tode Kardinal Bertrams bestellte der neue polnische Bürgermeister von Breslau, Dr. Boleslaw Drobner, Bischof Joseph Ferche und den Prälaten Dr. Joseph Negwer zu sich und erklärte beiden, dass die Warschauer Regierung sich wünsche, dass anstelle von Bertram ein Pole gewählt werden solle. Die Bestellten erklärten, dass 90% der Breslauer Bevölkerung deutsch sprechen. Man wolle aber mit dem polnischen Klerus zusammenarbeiten und deshalb wählte das Breslauer Domkapitel 10 Tage nach dem Tode von Kardinal Bertram Pfarrer Dr. Ferdinand Piontek, einen gebürtigen Oberschlesier, der deutsch und polnisch sprechen konnte.

Am 8. Juli 1945 hatte Kardinal Domenico Tardini August Hlond, dem Erzbischof von Posen (Poznan) und Gnesen (Gniezno) und späteren polnischen Primas, im Vatikan eine Vollmacht der Heiligen Kongregation ausgehändigt, laut der er beauftragt war, Administratoren für vakante Bischofssitze „auf dem gesamten polnischen Gebiet“ (in tutto il territorio polacco) zu ernennen.

Unter Berufung auf diese Vollmacht bereiste Hlond, eskortiert von polnischem Militär, Anfang August 1945 die deutschen Ostgebiete, um die zurückgebliebenen Bischöfe und ihre Vertreter zur Abdankung zu drängen. Eigenmächtig ernannte er zudem in den kirchenrechtlich nach wie vor deutschen Bistümern polnische Administratoren und verlangte vom gewählten Breslauer Kapitularvikar Ferdinand Piontek den freiwilligen Amtsverzicht.

Hlond behauptete gegenüber den deutschen Geistlichen wahrheitswidrig, dass die Rücktrittsschreiben im Vatikan aufgesetzt worden seien. Johannes Kaps, Konsistorialrat des Domkapitels in Breslau, wurde nach Rom delegiert. Die telefonischen Verbindungen waren unterbrochen und die Post in Europa funktionierte schlecht, deshalb war der Papst über die Wahl Piontek wie auch überdie Zustände in den deutschen Ostgebieten kaum informiert, die völkerrechtlich nach wie vor Bestandteil Deutschlands waren und dessen Diözesangrenzen durch Konkordate abgesichert waren.

Nach der Audienz beim Papst am 10. Oktober 1945, schrieb Johannes Kaps: „Der Heilige Vater zeigte sich verwundert, dass Kardinal Hlond eine Administratur in Schlesien berufen hat. Er sagte wortwörtlich „das wollten Wir nicht“. Nachdem August Hlond Piontek zum Verzicht auf das gewählte Amt veranlasst hatte, teilte er am 12. August den nunmehr unter polnischer Verwaltung stehenden Teil des Erzbistums Breslau auf und übergab die kirchliche Führung an drei Apostolische Administratoren für Breslau, Oppeln (Opole) und Landsberg an der Warthe (Gorzów Wlkp.).

Im September 1945 wurde von den Breslauer Domkapitularen Prälat Ludwig Cuno, Wilhelm Cuno und Emanuel Tinschert eine Zweigstelle des Generalvikariats Breslau für den westlich von Oder und Neiße gelegenen Teil des Erzbistums Breslau eingerichtet. Kapitelvikar Ferdinand Piontek, der sich zu jenem Zeitpunkt noch in Breslau befand, bestätigte in einem Schreiben vom 2. November 1945 diese Einrichtung. Im Mai 1946 wurde diese Verwaltung in Erzbischöfliches Amt Görlitz umbenannt.

Hlond gab 1946 in einem Schreiben an Pius XII. zu, dass er irrtümlicherweise seine Vollmachten zu weit interpretiert habe. Angesichts der Lage habe er keine andere Wahl gehabt, als polnische Administratoren einzusetzen. Denn der deutsche Klerus sei in „Handlungsunfähigkeit versunken“ gewesen, die neuen polnischen Behörden, bestehend „zumeist aus Kommunisten, ungebildeten Menschen und rachsüchtigen Juden“, hätten die deutschen Priester an der Ausübung ihrer seelsorgerischen Pflichten gehindert.

Hlond unterstrich, dass er mit seinen Entscheidungen der „Häresie“ und dem „germanischen Protestantismus“ in den Oder-Neiße-Gebieten ein Ende bereitet habe. Bis heute ist übrigens nicht untersucht worden, inwieweit die polnische Regierung einbezogen war, die vermutlich durch Hlond über jene Täuschung informiert war. In einer Predigt sagte Kardinal Hlond 1948 u.a.: „Die Kirche war immer mit Euch, auch in der Zeit, als die Stunde der Abrechnung für das gegenwärtige Jahrhundert kam (...). Durch die Besiedlung der wiedergewonnenen Gebiete mit Katholiken wurden hier die Ketzerei und das nationalistische deutsche Heidentum eliminiert.“

Die zugewanderten Gläubigen konnten damit den Eindruck erhalten, Absolution für Verbrechen zu erhalten. Die polnische Kirche propagierte zusammen mit der kommunistischen Partei die Parole von der Rückkehr „urpolnischer“ Gebiete zu Polen. Auf diese Weise wollte man den Gläubigen, die in diese Gebiete übersiedelten, zu verstehen geben, dass sie die fremden Häuser und Liegenschaften als rechtmäßiges Eigentum übernahmen.

Das Erzbischöfliche Amt Görlitz wurde 1972 dann durch Dekret der Bischofskongregation als eigenständige Apostolische Administratur vom Erzbistum Breslau abgetrennt. Diese Administratur erhob Papst Johannes PaulII. am 27.Juni 1994 zum 8. Juli zum eigenständigen, dem Erzbistum Berlin unterstellten, Bistum. 50 Jahre nach Kriegsende konnten auch mit diesem Schritt alte Wunden überwunden werden. Die polnischen Bistümer in Schlesien sowie das deutsche Bistum Görlitz sehen sich heute in ihrer Geschichte vereint und ehren gemeinsam ihre Patronin, die Heilige Hedwig von Schlesien.

Ewald Stefan Pollok/tsk

Denkmal Komineks erinnert auf der Breslauer Sandinsel daran, dass dieser und die anderen polnischen Bischöfe 1965 ihren deutschen Amtsbrüder schrieben: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Der Artikel erschien am 20. Juli 2019 in der Zeitung In Görlitz Nr. 29/27

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