Wydanie/Ausgabe 134/21.11.2024

Sonntag, den 4. Februar 1945, waren die drei Gottesdienste in unserer Grottkauer Pfarrkirche gut besucht, gegen 200 Pfarrkinder haben schätzungsweise zum letzten mal als geschlossene Pfarrfamilie ihre Sonntagspflicht in der Heimat erfüllt. Von ostwärts der Oder und tagelang zuvor hatten bereits Flüchtlinge und deutsche Truppen die Stadt durchzogen, nun setzte plötzlich gegen Mittag eine kurze, eilige Flucht der deutschen Resttruppen ein.

Das Gerücht tauchte auf, daß die russ.  Armee bereits bei Lichtenberg stände. Gegen 3 Uhr begann die Beschießung der Stadt. Der letzte Güterzug, der um diese Zeit die Stadt verließ, wurde bereits getroffen, auch die Ausfahrtstraße nach stand unter Feuer. Die russ. Armee kam von Richtung Lichtenberg und Märzdorf gleichzeitig auf Grottkau zu. Auf der einzigen freien Straße naach Münsterber verlies noch der größte Teil der Bewohner von Halbendorf die Heimat. Nachts waren Straßenkämpfe, am Montag morgens war die Stadt in russ. Hand.

Der Kirchturm hatte zwei Treffer, wovon einer die Haube zerschlagen, der zweite das Glockenturmfenster zerstört hat. In der Rosenkranzkapelle hatte eine Granate die Decke zum Einsturz gebracht und war im Inneren des Seitenschiffs explodiert. In den folgenden Wochen war der Dachstuhl über dem Hochaltar ohne Gewölbedurchschlag zerschossen, Orgel und Altäre wurden später mutwillig verwüstet, das Dach war ohne Decksteine. Fürchterlich waren die abendlichen Brände! Ausgebrannt sind: der Rathausturm, Bahnhof, Post, Zigarettenfabrik, Krankenkasse, Frauenschule neben dem Friedhof, Altersheim neben dem Waisenhaus, Nippert neben der Pfarrei, Druckerei, Hotel Ritter, von da die ganze Ringseite bis zur Ecke, mehrere Häuser Junkernstraße , die Kreisleitung, mehrere Häuser der Breslauer und Neißer Straße. Es stehen: die Gasanstalt, Wistubamühle, Waisenhaus, ev. Kirche, die ganze Bischofstraße und Südwall, alle drei Tore, Wasserwerk und Turm, allerdings mehr oder weniger beschädigt.

In Halbendorf sind nur einzelne Häuser in Flammen aufgegangen, in Tharnau ist der Teil nach Deutsch-Leippe zu schwer beschädigt. Die Kirche steht,  ein Volltreffer hat den Altar restlos zerstört, das Einschußloch konnte sofort vermauert werden. Wenn man von auswärts, ganz gleich von welcher Seite, sich Grottkau nähert, liegt die Stadt in ihrer grünen Umgebung wie früher scheinbar unzerstört, nur die Spitze des Rathausturms fehlt.

Die zurückgebliebene Bevölkerung hatte sich auf Grund der Beschießung und die Brände zur Kellergemeinschaft zusammen geschlossen und die ganze Kriegsnot wochenlang schwer fühlbar verspürt, da die Front hartnäckig  zwischen Neudorf und Altgrottkau hielt. Ende Februar wurde die Zivilbevölkerung zuerst nach der Breslauer Vorstadt, später nach Großjenkwitz , nach weitere 2 Wochen nach Brieg evakuiert. Am 15.Mai kehrten wir von dort zurück. Die Stadt war inzwischen teilweise, so weit es die öffentlichen Straßen und Plätze betraf, aufgeräumt. Polen hatten bereits sämtliche Amtsstellen inne. Immer mehr erfolgte ein Zuzug von Polen.Grottkau war polnische Stadt geworden. Keine deutsche Sprache, keine deutsche Inschriften wurden geduldet, polnische Straßen- und Firmenschilder wurden angebracht. Grottkau ward zu Grodkow!

Ende Juli wurden alle Deutsche der Stadt in die Landeserziehungsanstalt hinter Stacheldraht und Bretterzaun verwiesen, wo sie unter den drückendsten Lebensbedingungen, Lebensmittelknappheit und Seuchengefahr bis zu ihrer Ausweisung ins Reich im Juni 1946 leben mußten. Ich selbst wurde unter Protest meinerseits am 17.9.1045 von der polnischen „Geheimen Staatspolizei“ aus dem Pfarramt plötzlich ausgewiesen und mußte Grottkau Stadt und Kreis bis in 24 Stunden verlassen. In der Annahme, daß diese Annahme als Übergriffe einzelner Behörden anzusehen seien und nur zeitbedingt wären, begab ich mich nach Breslau, von wo ich hier ohne festen Wohnsitz und Lebensunterhalt auf eine Möglichkeit zur Rückkehr nach Grottkau wartete. Als die polnische Bischöfliche Behörde mir diese versagte und keine Möglichkeit für eine Neuanstellung bot, sah ich mich genötigt, um anderen hungernden Deutschen nicht zur Last zu fallen, nachdem alle meine geistlichen und sachlichen Werte aufgebraucht waren , Mitte November ins Reich zu gehen.

Der zwangsmäßig in Grottkau verbliebene Restteil von Deutschen durfte erst im Laufe des Jahres 1947 die Heimat verlassen.

Norbert Hettwer, Pfarrer