Wydanie/Ausgabe 137/25.06.2025

Am 5.3.45 wurde ich von den Polen verhaftet. Ich mußte mit 60 anderen Personen, im Schnee zu Fuß nach Tarnowitz (8 km) gehen, wo wir ins Gefängnis eingesperrt wurden. Die Polen schlugen uns unterwegs mit schweren Stiefeln an Knöchel und Beine. Bei der Einlieferung ins Gefängnis mußten wir ein Proto­koll unterschreiben, ohne es vorher lesen zu dürfen. Wer nicht sofort unterschrieb, wurde mit Schlägen dazu getrieben. Erst später erfuhr ich, daß in meinem Protokoll stand, daß ich für die Gestapo gearbeitet habe. In der darauf fol­genden Zeit wurden wir oft tags und nachts aus der Zelle geholt und verhört. Dabei wurde sehr häufig geschlagen und mit Füßen getreten. Ein Fuß ist mit vollkom­men aufgeschlagen und weist heu­te noch eine Narbe auf.

Im Juli 1945 kam eine russische Kommission und wir wurden von dieser drei Tage und drei Nächte einzeln verhört. Die Polen drohten uns, den Russen ja nicht die wahre Lage zu schildern. Am vierten Tage wurden 175 Frauen und Män­ner entlassen, unter denen auch ich mich befand. Am Tage der Entlas­sung mußten wir von 8 Uhr bis 15 Uhr auf dem Gefängnishofe ste­hen, und uns wurde in einer Rede mitgeteilt, daß wir über alles Geschehene und Erlebte schwei­gen müßten, anderenfalls wir sofort erschossen würden. Dieses wurde uns auch schriftlich in drei­facher Ausführung vorgelegt, und wir mußten es unterschreiben. Durch die Verhältnisse im Gefäng­nis hatte ich 150, zum Teil offene, Geschwüre am Körper. Trotzdem wurde ich, nachdem ich 8 Tage bei meiner Mutter verbracht hatte, die inzwischen aus unserer Wohnung geworfen worden war, von neuem von polnischer UB und Milizbeamten mit Maschinenpistolen aus der Wohnung geholt. Die Polen waren betrunken, sie verlangten, daß ich gleich im Hemd mitkäme. Auf mein Schreien hin durfte mir schließlich meine Mutter meine Kleider bringen, und ich mußte mich im Beisein der Polen anziehen. Während der 8 Tage bei mei­ner Mutter kamen nachts immer wieder Polen, die versuchten, mich zu vergewaltigen. Es gelangt, mir zwar immer wieder, sie abzuwehren, so waren meine Schenkel völ­lig zerkratzt und aufgerissen.

In derselben Nacht, in der ich zum zweiten Mal abgeholt wurde, wur­den sämtliche Deutsche aus den umliegenden Dörfern zusammen­geholt und auf Leiterwagen in das Waldlager Lassowitz bei Tarnowitz gebracht. Hier waren ca. 2900 Menschen zusammengetrieben. Schon beim Eingang ins Lager wurde ich mit Fäusten geschlagen, weil ich es wagte, einen Bekann­ten, den ich erblickte, zu grüßen. Im Lager waren zwar gedielte, aber sonst völlig leere Baracken, in denen wir ohne Stroh und Decken liegen mußten. Drei Tage lang bekamen wir weder etwas zu essen noch zu trinken. Vom vielten Tage an erhielten wir zu Mittag etwas gekochten, gemahlenen Roggen mit ca. 4 bis 5 Erbsen in einer Por­tion von einem Viertelliter. Da wir keine Eßgefaße erhielten, suchten wir uns alte Konservenbüchsen, die aber verrostet waren. Dadurch brach sehr bald Ruhr im Lager aus. Es starben sehr viele daran. Ärztli­che Hilfe wurde nicht geleistet. Die noch gesunden Menschen waren aber auch schon zu schwach, um den Kranken zu hel­fen. Der jüngste Insasse des Lagers war bei meiner Einlieferung 4 Tage, der älteste 92 Jahre. Jn der Nacht wurden junge Mädchen und Frauen herausgeholt und verge­waltigt. Ich selbst wurde auch in einer Nacht von einem ca. 20jähri- gen Polen geholt. Ich sollte angeb­lich in einer Baracke Feuer anma­chen. Da sich aber kein Ofen in dieser Baracke befand, war mir klar, weshalb ich geholt worden war. Ich habe geweint und gefleht

und bin sogar vor ihm auf die Knie gefallen und habe gebeten, daß er mich fortlassen solle, da ich doch schon eine alte Frau sei und ältere Söhne habe als er selbst sei. Aber es nützte mir alles nichts. Er hielt mir die Pistole vor und sagte: Sieh Dir das an.” Was weiter geschehen ist, kann ich im einzelnen nicht mehr angeben, da ich vor Angst und Entsetzen fast bewußtlos wur­de. Auch kann ich nicht sagen, wie ich in meine Baracke zurückge­kommen bin. Erinnerlich ist mir nur die Tatsache der Vergewalti­gung an sich.

Einige Nächte später kam ein anderer Pole, ca. 23 oder 30 Jahre, durchs Fenster in die Baracke zu mir. Er verlangte von mir, etwas von draußen zu holen. Da ich fürchtete, daß er mir folgen würde, um mich zu vergewaltigen, wei­gerte ich mich. Darauf warf er mich in der Baracke zu Boden und vergewaltigte mich trotz meines Wehrens in Gegenwart aller ande­ren.

Diese Greuel wurden Tag für Tag an den Gefangenen wiederholt. Die Männer wurden sehr viel geschlagen. Nach einiger Zeit kam ein Arzt, da die Epidemie so ich im sehr um sich gegriffen sei. Einige wurden daraufhin entlassen. Was aus den Zurückbleibenden gewor­den ist, habe ich nicht erfahren.

Ich ging zu meiner Mutter, aber schon in der zweiten Nacht wurde ich immer wieder von den Polen besucht. Es gelang mir, im Nach­themd durchs Fenster zu entkom­men und ich habe die ganze Nacht auf einer Linde gesessen, bis ich merkte, daß die Polen fortgegan­gen waren. Dies geschah im Okt­ober, und es war recht kalt. Später­hin versteckte ich mich Nacht für Nacht im Wald und in den Feldern, und es gelang mir so, mich einem weiteren Zugriff zu entziehen.

Im Juni 1946 wurde ich doch wie­der festgenommen. Man warf mir Spionage vor, und ich wurde zur UB nach Tarnowitz gebracht. Bei der Einlieferung stellte mir ein Pole ein Bein, ich fiel und wurde daflir noch geprügelt. Auf der UB habe ich gehört und selbst beob­achtet, wie deutsche Männer bis zu mehreren Stunden von vier Polen geschlagen wurden, bis sie zusammenbrachen und meist verstarben. Man konnte das Jammern und Wimmern der Menschen in den Zellen hören. Als Todesursa­che gaben die Polen Herzschlag an. Wir Frauen mußten das Blut aufwischen.

Erlebnisbericht von Maria 2、Lehrerin aus Georgenberg,Kreis Tarnowitz, Bundesarchiv Koblenz (Ostdok.2/215/40-41.)